11. März 2023 – In Gedenken an Luise

Erinnern wir uns an Medienberichte vom 21. März 2023:

»Dieser schreckliche Vorfall…«
Experten schlagen Alarm…«
»…, mit insgesamt 23 Messerstichen…, die Mädchen waren einst beste Freundinnen.«
»Mittlerweile sind mehr als 40 Messerstiche bekannt. Die Eltern der beiden Täterinnen und des Opfers haben sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.«
»Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von mehr als 60 Messerstichen aus.«
»Mit mehr als 80 Messerstichen…«

Immer wieder fielen Adjektive wie »schrecklich« und »besonders grausam«. Und permanent wurde die Zahl der Messerstiche nach oben korrigiert.
Und (mal wieder) haben viele Erwachsene in Social Media scheinheilig gefragt: »Wer macht so etwas?« Diese Frage stellen Erwachsene immer wieder, wenn eine Tat mit bisher ungewöhnlichem Tathergang aufgedeckt wurde. Und immer wieder folgten darauf beinahe stündlich Antworten von Experten in Sondersendungen.
Jeder Mensch darf sich als „Experte“ ausgeben, der sie dazu berufen fühlt. Eine Fachkraft dagegen ist man im Sinne des § 37 Berufsbildungsgesetz, also darf sich nicht jede/r als Fachkraft ausgeben.

Was im Fall Luise verübt wurde, muss ich – denke ich – nicht noch weiter ausführen. Die Medien hatten auch ganz sachlich argumentieren können „…, mit dutzenden Messerstichen ist heute… (nochmal als Erinnerung an den Schulunterricht: ein Dutzend = 12, demnach sind 24, 36, 48 usw. jeweils dutzende).

Und auch nochmal zur Erinnerung: wir sprechen hier von Kindern! Als Kind definiert das Gesetz: Bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, also am 14. Geburtstag.
Ab dem vollendeten 7. Lebensjahr, also ab dem 7. Geburtstag, ist man im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zivil strafmündig. Das bedeutet, wenn ein Kind ab dem vollendeten 7. Lebensjahr eine Sachbeschädigung begeht, kommt es zur Anklage, immerhin ist der Eigentum das fünfthöchste, rechtlich geschützte Rechtsgut. Selbstverständlich ist dieses Kind im vollendeten 7. Lebensjahr zahlungsunfähig. In Baumärkten usw. gibt es Schilder zu kaufen, auf denen steht: „Eltern haften für ihre Kinder!“ Das STIMMT SO NICHT! DENN: die Eltern dürfen dem eigenen Kind die Zahlung auch verweigern, selbst wenn das Kind ein ganzes Gebäude samt Inhalt abgebrannt hat. Ab dem vollendeten 18. Lebensjahr nämlich muss das einstige Kind, was damals das Haus abgefackelt hat, ZAHLEN. In diesem Beispiel bedeutet das: noch nicht mal 18 Jahre alt, noch nicht im Leben angekommen, und schon einen Haufen Schulden. Für Körperschaftsdelikte können Kinder (bis vollendet 14) nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
strafrechtlich strafmündig ist man ab dem vollendeten 14. Lebensjahr. Ab dann muss man mit juristischen Strafen rechnen, was das spätere Berufsleben hinsichtlich des Führungszeugnisses beeinträchtigen dürfte. Selbstverständlich sind Jugendrichterinnen und Jugendrichter dafür sensibilisiert und ausgebildet, den Kindern und Jugendlichen zu helfen, das heißt, im Rahmen der juristischen Möglichkeiten und im Rahmen der Prävention. Jeder Mensch wächst unterschiedlich auf, bei manchen Kindern und Jugendlichen, die von Kleinkind an Gewalt und/oder Missbrauch erfahren haben, gestaltet sich die Pädagogik sehr schwierig.

Vielen Eltern und anderen außenstehenden Erwachsenen, die nicht pädagogisch ausgebildet wurden, sei genüge getan, die Themen rational zu lösen. Um sich vor negativen Einflüssen zu schützen, reden sie sich ein, dass Kinder noch nicht zu exzessiver Gewalt fähig sein können, weil sie doch noch nichts erlebt haben. Doch, eben weil sie noch nicht viel erlebt und nicht viel gelernt haben, fehlt das Gewissen. Als Erwachsener weiß man doch auch nur Recht und Unrecht zu unterscheiden, weil man es während der Kindheit gelernt hat. Man könnte aber zum Beispiel auch jemanden schlagen und verbreiten, dass dies „lieb“ sei. Andersrum könnte man auch suggerieren, dass in der Intimzone streicheln etwas Liebes sei. Oder auch etwas Böses. So in etwa sind viele Gewalttäter und Sexualtäter aufgewachsen: durch auswendig lernen.

Beispielweise tägliche Messerangriffe von Kindern ab 10 Jahren? Aus der Sicht vieler Erwachsener kein Problem, weil dann Strafmündigkeit ab 10. Und was wäre dann beispielsweise bei steigender Zahl von Sexualstraftätern ab 10?
Eine Tat wie die an Luise zeigt, dass Kinder noch kein Gewissen haben – Kinder lernen ihr Umfeld noch auswendig. Zum Beispiel können die meisten Kinder im Alter von sechs Jahren die Uhrzeit errechnen, aber das Zeitgefühl entwickelt sich erst ab dem vollendeten 7. Lebensjahr, plus-minus ein paar Wochen.
Während Säuglinge und Kleinkinder noch jeden Tag mehrere Dinge dazulernen, gestaltet sich für manche Kinder, solche die mit weniger Empathie und weniger Pädagogik aufgewachsen sind, das Lernen bereits in der Grundschule als schwierig. Der Unterschied zwischen dem 40. Lebensjahr und dem 50. Lebensjahr zeigt sich meist nicht mehr so drastisch, wie zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr. Erfolgt im Kindesalter kein Eingreifen, wird das Erlernen der Empathie mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Der logische Sachverstand und der emotionale Verstand, also Empathie, sind nicht dasselbe und ähneln sich auch nicht. Viele Gewalttäter und Sexualtäter sind nicht doof, manche verfügen sogar über eine schnelle Auffassungsgabe, die sich insbesondere bei Mathematik bemerkbar macht. Außerdem verfügen Narzissten und Psychopathen über besonders ausgeprägte manipulative Eigenschaften, und setzen diese ein, um zu bekommen, was sie wollen – für sie sind Menschen Mittel zum Zweck. Soziopathen dagegen empfinden nichts für ihre Opfer, weder logisch noch emotional. Empathie kann man erlernen, jedoch nicht auswendig lernen. In verschiedenen Lehrgängen werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bilder von realen Personen gezeigt, die im Rahmen der Ausbildung, zum Beispiel „Umgang mit Menschen“ fotografiert wurden. Zu sehen sind dann Körperhaltungen und Gestiken wie Hände in die Hüfte gestemmt oder Augenbrauen in Richtung Nase nach unten. Genau darauf haben sich viele Erwachsene in ihrem Leben „spezialisiert“. Alle Menschen, sogar Tiere, sind neugierig. Als Kind(er) war die Neugierde ein Aspekt zum Lernen, weil Erfolg und Misserfolg. Viele erwachsene Menschen neigen dazu, sich selbst vor negativen Einflüssen zu verschließen, sich an den Schicksalen anderer zu ergötzen, um bei anderen von ihrem Leben abzulenken – als „Geschenke“ sozusagen, um sich bei anderen einzukaufen.

Fragt sich unter den Möchte-Gerne-Rechthaberern und Selbstdarstellern eigentlich jemand, wie Kinder und Jugendliche denken und fühlen? Wie sie ihr eigenes Umfeld, die Umwelt, das Internet und die Nachrichten wahrnehmen?
Kinder und Jugendliche verfügen nicht über die geistige-, und menschliche Reife, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Selbstverständlich sind Kinder und Jugendliche nicht dumm. Wie aber bei dem Beispiel oben mit der Uhrzeit: sie können errechnen, aber noch nicht nachempfinden, deshalb versuchen sie es mit auswendig lernen.
Erwachsene fordern im Zusammenhang mit der Arbeit eine Vier-Tage-Woche, wodurch sich Arbeitszeiten von neun Stunden ergeben, zuzüglich der Pause. Was fordern Kinder und Jugendliche? Die Vier-Tage-Woche. Gleichzeitig fordern Kinder und Jugendliche die Abschaffung der Hausaufgaben, außerdem mehr kiffen, und 100 Milliarden für den Klimaschutz. Selbstverständlich ist Klimaschutz wichtig, auch dafür setze ich mich ein! Aber wieso ausgerechnet 100 Milliarden, hm?! Wieder was in den Nachrichten auswendig gelernt? Und wo sind eigentlich die Eltern, die ihrem Nachwuchs die Welt erklären? Ach ja, stimmt ja: die haben beide keine Zeit für ihre Kinder, müssen beide arbeiten, eine/r für die Miete und eine/r für den Lebensunterhalt und für die Kleidung. Und vielleicht noch für ein paar Tage Billig-Urlaub.
Kann es eigentlich sein, dass viele Eltern arbeiten, weil „…, immer noch besser als Bürgergeld“, aber mit ihrem Leben trotzdem unzufrieden sind? Man hat also mit den negativen Einflüssen durch Arbeit schon viel zu kämpfen. Und dann auch noch auf lustige Tier-Videos verzichten, um Chat-Protokolle der eigenen Kinder zu lesen? Diesen Gedankengang kann ich nachvollziehen, ist aber menschlich nicht korrekt. So sehr ich Tiere mag: nur die Besitzer haben etwas davon. Wenn wir uns Videos von teils dressierten Tieren anschauen, höchstens ein paar Leckerlis mehr. Kinder und Jugendliche sind es, die Aufmerksamkeit verdient haben. Sie verstehen, dass beide Elternteile arbeiten müssen, damit man sich als Familie etwas leisten kann. Allerdings sitzen Kinder und Jugendliche zwar manchmal sinnlos, aber nicht tatenlos, herum, bis sie abgeholt werden, sondern sie denken sich selbst was aus: Freunde treffen, rumhängen, vielleicht Zeitungen austragen, etwas basteln oder reparieren, vielleicht auch bildende Kunst oder eben zocken und Social Media , also Internet. Genau dort sind Kinder und Jugendliche angreifbar. Zwar gibt es viele Seiten, in denen man illegale Inhalte melden kann, und es gibt auch kinderfreundliche Suchmaschinen, beispielsweise fragfinn.de (in den Links meiner Webseite). Allerdings verfügen – wie oben genannt – alle Gewalttäter und Sexualtäter ihre Gabe der Manipulation. Freundlichkeit (»Hey! Was machst du?«), weiter steigende Freundlichkeit (in der englischen Sprache: love-bombing), Komplemente machen (nicht nur »Du bist nett«, »Du bist hübsch«, sondern »Du bist die/der beste!«), und so weiter. Psychopathen verstehen es, wie Raubtiere die Schwachstellen ihrer Opfer auszuerkundchaften und genau dort den Finger in die Wunde zu legen. Dann probiert man es entweder mit einem Treffen, oder (wenn das Opfer nicht anbeißt), mit Erpressung, und zwar mit den Informationen, die man im Internet gesammelt und von den Opfern zusätzlich bekommen hat.
Früher, im analogen Zeitalter, haben manche Eltern ihre Kinder gewarnt: „Lass dich nicht von Fremden anquatschen, auch nicht mit Schokolade. Und steig zu niemandem ins Auto.“ Das ist alles nicht mehr notwendig, weil immer mehr Täterinnen und Täter digital nach potentieller Beute Ausschau halten. Selbstverständlich kann man Kinder und Jugendliche auch darauf vorbereiten. Allerdings tun in einsamen Momenten Komplimente einfach nur gut – das machen sich die Täter zu Nutzen.

Sexuelle Belästigung oder gar um Vergewaltigung wurden im Fall Luise höchstwahrscheinlich nicht verübt, jedenfalls ist darüber medial nichts bekannt, wenngleich auch die Medien spekulieren.
A propos Medien: laut Presseberichten soll es Pressevertreter gegeben haben, die Kinder auf dem Schulweg nach Luise und ihren einstigen Freundinnen angesprochen haben. Wieder von fremden Erwachsenen – sehr „vorbildlich“. Und Social Media, deren Server sowieso nicht innerhalb der EU stehen, löschen Hasskommentare nicht. Außerdem gibt es Internetseiten (nicht Darknet, sondern Internet), aus nicht-europäischen Ländern rund um den Globus, ob Südamerika, USA, viele afrikanische Länder, auch Russland und auch asiatische Länder, in denen Mobbing, Hass, Gewalt sowie Sexualdelikte geteilt und gefeiert werden. Oft sogar von Polizeibeamten der jeweiligen Länder unterstützt, und das auch noch unverpixelt. Und wofür? Für einen Moment der Aufmerksameit im Internet, auch wenn es ein paar tausend Likes sind, ist es nur ein Moment. Täterinnen und Täter machen sich das zu Nutzen.

Auch der Eigenschutz ist ein geschütztes Rechtsgut, jedoch schadet Ignoranz auch anderen. Prävention definiert, dass man Maßnahmen ergreift, die Gefahren mindern oder gar vermeiden – nach jeder Tat ist also vor jeder Tat. Und Prävention beginnt, sobald man sich mit sämtlichen Möglichkeiten auseinandersetzt.
Will man wirklich fördern, dass Menschen, die schon mit sich selbst nicht klarkommen, sich für andere „stark machen“? Mit Verlaub: das fördert Willkür und Selbstjustiz. Will man also die Verantwortung wirklich den Opfern und deren Eltern, Familien und Freunden überlassen? Was doch Erwachsenen schon an die Substanz geht, sollte man für Kinder und Jugendliche erst gar nicht zugänglich machen, oder?
Hundertprozentigen Schutz kann es niemals geben, es wird immer Vergehen und Verbrechen geben, solange es Menschen gibt. Im Tierreich gibt es sogar Massenvergewaltigungen, beispielsweise unter Seeelefanten. Wir Menschen werden durch Gesetzesbücher geschützt. Ob diese wirksam sind, entscheiden immer die Täterinnen und Täter.
Damit Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden so effizient wie möglich für uns arbeiten können, bräuchten sie zwei Duale Studiengänge infolge, dabei werden sie schon mit regelmäßigen Zusatzlehrgängen bombardiert, um für uns alle da sein zu können. Die Justiz sucht aktuell (Stand: März 2024) bundesweit 3.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Politeibehörden, beispielsweise Bundespolizei, Schutzpolizei, Wasserschutzpolizei, Kriminalpolizei und andere, suchen ebenfalls nach mehreren tausend neuen Beamtinnen und Beamten sowie nach zivilen Angestellten. Momentan liest man, wenn man in Social Media Follower mehrerer Polizeibehörden ist, jeden Tag mindestens einen Angriff mit Messer – abgesehen von den Meldungen, die von mehreren Medien behandelt werden, wie Festnahmen mutmaßlicher Terroristen. Wenn man die Nachrichtentexte auch aufmerksam liest, stellt man fest, dass jeden Tag irgendwo irgendwas mit Tatwaffe Messer verübt wird. Was könnte eine Maßnahme sein, die Täterinnen und Täter abschreckt? Man müsste – um Angriffe mit Messern zu mindern – zum Beispiel sämtliche Messer, auch Haushaltsmesser, aus öffentlichen Räumen verbannen oder nur noch an Personen ab 19 Jahren mit einwandfreiem Leumund. Manche Täterinnen und Täter sind aber wie die einstige Fernsehfigur „McGuyver“, die basteln aus allem irgendwas – ein Indiz für kriminelle Energie. Ob allein Gesetzesverschärfungen die Mutter aller Lösungen sind, entscheiden immer die Täterinnen und Täter.
Neid, Eifersucht und niedere Beweggründe sind – seit es Menschen gibt – die häufigsten Mordmotive. Und Hass, Mobbing und Missbrauch geschehen nicht, diese Taten werden verübt, meist von Menschen mit entweder übersteigertem Selbstwertgefühl oder von Menschen mit Mangel an Selbstbewusstsein. Anstatt zu warten, bis Taten geschehen, könnten alle Menschen sich für andere Menschen einsetzen, um mit scheinbar verhaltensauffälligen Personen ins Gespräch zu kommen anstatt über sie zu urteilen. Ja, wir alle. Auch die Medien.

Um was geht`s? Am 12. März ist das damals 12-jährige Mädchen Luise aus Freudenberg nach einem Streit von ihrer einst besten Freundin im gleichen Alter mit zahlreichen Messersticken getötet worden. Nicht ganz eineinhalb Wochen später verprügelten in Erfurt wieder Kinder (unter 14) ein gleichaltriges Kind, diese Tat wurde live gestreamt und die Täter wurden zum Weitermachen aufgefordert. Und wieder fragten Erwachsene in Social Media scheinheilig: »Wer macht sowas?« Als ob diese Frage ernst gemeint sei.

Schrecklich.

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