Sicherheit vs. Obdachlosigkeit

Wie definieren wir das Wort “Sicherheit“?

Alle Menschen – ja, sogar jedes Tier – wünschen sich Sicherheit. Allerdings empfindet nicht nur jeder Mensch anders, sondern Sicherheit wird in jedem Zusammenhang anders genannt. Zum Beispiel verwenden wir auch Worte wie Vertrauen, Geborgenheit, Stabilität und Empathie. Viele Menschen möchten gerne wenig geben und im Gegenzug viel dafür bekommen. Sind wir schon immer so gewesen? Wer oder was hat uns zu den Menschen gemacht, die wir heute sind? Und: ist aufgrund unseres Verhaltens die allgemeine Sicherheit in Gefahr?

“Was machst du beruflich?“ – wird diese Frage wirklich nur aus Neugierde auf das Gegenüber gestellt oder sucht man (bzw. Frau) immer noch einen klassischen, potenziellen Versorger? Die Zeiten sind anders geworden. Heutzutage ist es üblich, dass beide Partner:innen im Haushalt arbeiten und Geld verdienen. Außerdem gibt es nach der heutigen Gesetzeslage auch Frauen, die Unterhaltszahlungen leisten müssen.
“Drum prüfe, wer sich ewig bindet“, hat man vor Jahrzehnten noch gesagt. Scheint an Bedeutung verloren zu haben. Aber selbstverständlich ist die Frage, ob der andere Part verschuldet ist, spätestens bei Bezug einer gemeinsamen Unterkunft von Bedeutung.
Viele von uns beschweren sich über gestiegene Preise und über schlechte Entlohnung, möchten sichaber nicht eingestehen, dass sie mindestens eines der gesetzten Ziele nicht erreicht haben. Also ist die Sicherheit, auf die man sich einst verlassen hat, in weite Ferne gerückt.

Das Wort Sicherheitswirtschaft mag für viele herablassend klingen. Nicht nur für Bedienstete, auch für Menschen von Außen. Tatsächlich gibt es die Polizeibehörden, welche als Exekutive neben der Judikative und der Legislative Teil der Gewaltenteilung sind, die Ordnungsämter und die Sicherheitswirtschaft. Alle drei Berufszweige sind mit Stigmata behaftet. Aber auch von der anderen Seite gibt es Stigmata, die es auszuräumen gilt.

Dass Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden das Gewaltmonopol zu vertreten haben, setzt offensichtlich immer mehr Menschen unter Druck. Immer häufiger wird Beamtinnen und Beamten “Polizeigewalt“,und “Willkür“ unterstellt, und es sei ein “Polizeiproblem“. Wir wissen allerdings seit der Corona-Pandemie auch, dass die Mehrheit der hiesigen Gesellschaft an Verschwörungstheorien glaubt, in den USA sind es sogar 51% aller Bürgerinnen und Bürger, Dass der US-Präsident –wer auch immer dieses Amt inne hat – das mächtigste Amt der Welt ist, bedeutet nicht, dass dieser Mensch sich alles erlauben kann. Und trotzdem wird dies immer wieder behauptet.
Weil alle Bedienstete der Sicherheit zwar an eine behördliche Überprüfung gebunden sind, und sich ebenfalls an geltendes Recht halten müssen, jedoch die Bediensteten keine Beamt:innen sind, nennen viele diesen Wirtschaftszweig –damit es besser klingt – SECURITY!

Mit Sicherheit durch den Berufsalltag

Trotz der unterschiedlichen Arbeitgeber und trotz der teils völlig unterschiedlichen Ausbildungen haben Polizeien, Ordnungsämter und Sicherheitswirtschaft etwas gemeinsam: sie sind für unsere Sicherheit zuständig. Dies bedeutet auch, dass sie etwas sagen müssen, was andere nicht hören möchten. Unter Umständen steht in der Dienstanweisung: Kontrollgang rund um den Hauptbahnhof und Verweisung aller Menschen mit blonden Haaren“ – sehr unwahrscheinlich, aber möglich. Mit Sicherheit (…) würden sich alle Menschen dieser Zielgruppe vertrieben fühlen. Genau das empfinden Personen, die im echten Leben entfernt werden: nämlich VERTREIBUNG.
Jeder Hauseigentümer darf bestimmen, wer sein Grundstück betreten darf, und wer nicht. Nach einer Aussprache des Verbots macht man sich wegen §123 im Strafgesetzbuch (StGB), Hausfriedensbruch, strafbar. Der Eigentümer des Hauptbahnhof beispielsweise darf sagen “Hier nicht, gehen Sie auf die andere Seite (beispielsweise zum Hotel).“ Der Eigner des Hotels darf sagen “Hier nicht, gehen Sie doch zurück zum Hauptbahnhof.“ Jeder Mensch verfügt über unterschiedliche Frustrationstoleranz. Irgendwann aber, wenn man permanent hin- und her geschickt wird, fühlt sich jeder Mensch als vertrieben – obdachlose Menschen können auch davon ein Lied singen.
Je mehr jeder einzelne Mensch mit Unsicherheit konfrontiert wird, desto weiter sinkt die Frustrationstoleranz. Wir sind in den letzten 20 Jahren Jahren mit mehreren Krisen konfrontiert worden, die uns allesamt gezwungen haben, den Gürtel enger zu schnallen. Wenn n einer Unterkunft sechs(!) Männer eine einzige Frau des Geländes verweisen und anplärren, weil die Frau auch plärrt, dann entsteht bei der Frau eine Menge Gegendruck. Zuständig sind in diesem Fall zwei Frauen, und nicht sechs Männer. Wenn man den Auftrag bekommen hat, alle nach obdachlos aussehenden Menschen zu vertreiben, macht es keinen Sinn, zusätzlich zur Dienstkleidung bzw. Uniform weiteren Druck aufzubauen. Wie man es in den Wald hinein ruft, so schallt es zurück, der Ton macht die Musik.
Manchmal hat man nicht die Zeit, alle Personen, denen man im Dienst begegnet, freundlich und geduldig zu behandeln. Dann wünscht man sich, die Zeit anhalten zu können. Wenn dann auch noch ein notorischer Querschläger den Einsatz verlängern möchte, entsteht bei denjenigen Frust, die um unsere Sicherheit bemüht sind. Dabei ist es doch so einfach zu verstehen: du sollst gehen. Fast alle Beamt:innen der Polizeien und Bediensteten der Ordnungsämter, und die der Sicherheitswirtschaft, haben nicht die geringste Absicht, jemandem ein Übel zuzufügen. Nicht alles wird im Wachbuch vermerkt. Aber die Beamt:innen und Bediensteten tauschen sich untereinander über ihre Arbeit aus. Wer sich regelmäßig ordnungsgemäß verhält, und nicht negativ auffällt, dem bringen einige sogar Kaffee und Brot oder Süßigkeiten mit, und fragen, ob alles in Ordnung ist. Sicher wird dem ein- oder anderen obdachlosen Menschen ein Tipp für Sozialleistungen oder für eine freie Wohnung zugesteckt. Wo ist da bitte die “Willkür“?

Manche Bedienstete der Sicherheitswirtschaft sind gerade mal eine Woche lang für die Unterrichtung nach §34a der Gewerbeordnung (GewO) ausgebildet, mit einer Art “Deutschtest“ ab siebten Tag als Abschlussprüfung. Darüber gibt es die Sachkundeprüfung nach §34a der Gewerbeordnung, für die man keinen schulischen Nachweis benötigt, In solch kurzer Ausbildungszeit ist es nicht möglich, Menschen für das spätere Berufsleben im Erkennen von strafbarem Verhalten ohne Straftatbestand, und Deeskalation vorzubereiten.
Bei den Ordnungsämtern kann man ohne die 3-jährige Berufsausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit, für die man bei der Indrustrie-, und Handelskammer (IHK) fünf Prüfungen ablegen muss, nicht arbeiten. Auch die Ausbildung bei der Polizei dauert drei Jahre, das Duale Studium der Polizei dauert zwar nur zwei Jahre, ist jedoch berufsbegleitend, und man wird zusätzlich in Fächern wie Kriminalistik & Forensik, Religion & Ethik, und andern ausgebildet.
Das Wort Sicherheit definiert nicht etwa Proll-Gehabe, wie viele sich das wünschen, sondern Sicherheit bedeutet zuhören, lernen, sich der jeweiligen Situation anzupassen, um situationsgerecht deeskalieren zu können, und den Spagat zwischen erforderlicher Neugierde und erforderlicher Diskretion zu meistern. Dazu zählen unter anderem Grundkenntnisse in der Juristerei, das Erstellen von Sicherheitskonzepten gemäß den rechtlichen Vorschriften, der erforderliche Umgang mit Menschen, und andere. Das alles kann man nicht in wenigen Wochen erlernen.

Allen Berufszweigen, in denen man für die Gesundheit und für die Sicherheit von Menschen verantwortlich ist, habe ich jeweils in meiner Webseite einen Beitrag
gewidmet –alle zu lesen in “Prävention Exekutive, Pflege und Sicherheit“.

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Ausstellung „Der Mensch dahinter“

Anlass für die Ausstellung “Der Mensch hinter der Uniform“ war die Nacht vom 20. Auf den 21. Juni 2020, als die Stuttgarter Polizei eine Drogenkontrolle plante. Etwa 400 bis 500 Personen, meist junge Männer, gesellten sich ungefragt dazu und nutzten die Gelegenheit, ihrem Frust Luft zu verschaffen. Sie beleidigten die Beamten und begannen zu randalieren, zerstörten Fensterscheiben und plünderten Geschäfte. Insgesamt wurden 32 Beamte verletzt.
Die Menschen hinter den Uniformen arbeiten bei verschiedenen Abteilungen der Polizei, bei der Feuerwehr, im Rettungsdienst, in der Pflegebranche (am häufigsten wird man in der Notaufnahme bedroht), bei der Bundeswehr, und im Justizvollzug.

Der Gedanke, dass man im Einsatz etwas sagen muss, was jemandem nicht gefällt und die Verdächtigen randalieren, um die eigentliche Tat zu verschleiern, mag in einigen Fällen stimmen. Heutzutage spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel der Trophäen-Faktor: vielen Tätern erscheint es wohl als »voll geil, Alter«, einen »Bullen weggeklatscht« zu haben. Auch die Damen und Herren von der Abfallwirtschaft, was wir „Müllabfuhr“ nennen, werden nicht nur angehupt und beleidigt – aber das ist ja schon Alltag,
Ein anderer Faktor ist sicher die Beteiligung der Medien
Auch Damen und Herren vom Ordnungsamt, die immer noch als „Politesse“ bezeichnet werden, müssen sich einiges anhören (jedoch nicht gefallen lassen), auch diese Damen und Herren sind für die Galerie abgelichtet worden.

Als ich mit bürgerlichem Namen die Bundeswehr besuchte, war Grundwehrdienst Pflicht, sofern man nicht ausgemustert wurde. Man musste sich also entscheiden, ob man zur Bundeswehr oder Zivildienst leisten wollte. Konnte man sich nicht entscheiden, hatte der Staat entschieden.
Von Oktober 1994 bis September 1995 war ich bei der Bundeswehr. Von 1997 bis 2000 ehrenamtlicher Katastrophenschutzhelfer und Sanitätshelfer. Heute bin ich Fachkraft für Schutz und Sicherheit. Während meiner Zeit im Rettungsdienst wurden auch wir immer wieder beleidigt. Allerdings sind heute die Frustrationstoleranz und die Hemmschwelle viel niedriger.

Aus der Galerie habe ich nicht alle Bilder abfotografiert, jedoch die meisten. Die mindere Qualität habe ich meinem Huawei Y7 zu verdanken. Noch bis Anfang Juli ist diese Wanderausstellung www.der-mensch-dahinter.de in im Bürgerhaus in Köln-Deutz (Lanxess Arena) zu bewundern.

 

Die Initiatorinnen und Initiatoren dieser Galerie (siehe Bild 1)

Andrea Wommelsdorf: Organisation, Interviews, Textredaktion

Burrkhard Knöpker: Interviews, Haupttexte

Charlotte Beck: Fotografie, Bildbearbeitung

Dirk Reinhardt: Internetauftritt, Infotexte, Schlussredaktion

– Richard Wiese, Verkehrsüberwachung: Senkung des Empörungslevels

– Hauptbrandmeister Michael Keppler: Ein »Ruck in die richtige Richtung«

– Polizeihauptkommissarin Beatrix Kurth: Feuerwerk oder Sonderrechte

– Michael Mader vom Kommunalen Ordnungsdienst der Stadt Köln: Zwischen Verständnis und Sanktion

– Narkose- und Notärztin Flavia Nobili: Mit Empathie schon vielen geholfen

– Kriminaloberkommissar Dominik Fahnenschmidt: »Es gibt so viel Müll auf diesem Erdball«

– Staatsanwalt Harald Hürtgen: Engagiert im Kampf gegen Einsatzkräfte

– Kriminalhauptkommissarin Carina König, Erkennungsdienst: Roman und Wirklichkeit

– Lena Hoffmann (Name geändert), Universalvollstreckung der Stadt Köln: »Man wird vorsichtiger«

– Polizeimeisterin Hulya Duran: »Man muss die Geschichte hinter den Menschen kennen, um ihre Handlungen zu verstehen.«

– Polizeihauptkommissar Dirk Rohde: Was wirklich wichtig ist im Leben

– Polizeihauptkommissar Jörg-Wolf Klink: Ein Beruf mit tausend Berufen

– Polizeihauptkommissar Enno Adam und Oberkommissarin Liane Blankenstein: Überbringer trauriger Nachrichten

– Hauptfeldwebel Alexandra Spürck: Die Vielseitige

– Polizeihauptkommissarin Anna-Magdalena Gewehr, Autobahnpolizei: Kreativität ist in jedem Beruf gefragt

– Polizeioberkommissar Tim Holzhausen: »Da arbeiten ganz normale Menschen«

– Notarzt, Oberarzt und Dermatologe in der Hautklinik, Hartmut Ständer, in Dortmund: »Messerstechereien, Schlägereien – Die Gewalt steigt tendenziell«

– Marco Möllers (Name geändert), Einsatzführer Hundertschaft: »Der größte Teil der Gesellschaft ist zu leise«

– Polizeihauptkommissar Jürgen Tölle: »Sich im Wolfsrudel durchzusetzen, habe ich auf der Hauptschule gelernt«

– Polizeiseelsorger Stephan Draheim: »Die Belastungen können nicht mehr aufgefangen werden«

– Kriminalhauptkommissarin Birgit Wefringhaus, Sexualdelikte in Bonn: Keine Zeit für`s Cello

– Justizvollzugsbeamter Frank Auer: »Vollzug ist mehr als sicher, satt und sauber«

– Maria Frenking, Kommunaler Ordnungsdienst in Dortmund: Struktur und Sicherheit

– Polizeioberkommissar Bastian Stehr: »Im Fernsehen machen sie das aber anders«

– DB-Kundenbetreuerin Annemarie Hollenbach: »Wenn du Angst zeigst, hat der andere schon gewonnen«

– Polizeihauptkommissar Markus Eisenbraun, Polizei Stuttgart: »Jeder glaubt, er hat die alleinige Wahrheit«

– Polizeioberkommissar Marcus Weckenmann, Hundestaffel: »Das Wichtigste ist, dass wir jeden Tag nach Hause kommen«

– Kriminalhauptkommissarin Elke Meier (Name geändert), Kriminaldauerdienst: Die Weltverbesserer

– Oberbrandmeister Andreas Helmecke, Berufsfeuerwehr Dortmund: Im Dortmunder Norden

– Polizeikommissarin Nadja Depping, ehemals zuständig für Sexualdelikte: »Es ist ein besonderes Gefühl, wenn du im Einsatz jemanden glücklich machen kannst«

– Polizeihauptkommissarin Nadine Kunter: »Ich habe es mal mit Klavierspielen versucht«

Galerie "Der Mensch dahinter"
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