Kurzgeschichte: Der neue Kollege

Es war bereits Nachmittag, als City-Detektiv Stefan Römer vier junge Männer beobachtete, etwa Mitte 20 bis Ende 20 Jahre aussehend. Römer vermutete ihre osteuropäische Herkunft anhand ihrer Sprache, während er ihnen folgte. Aus einem Kaufhaus wurde ihm kurz zuvor telefonisch mitgeteilt, vier junge Männer, deren Beschreibung derer entsprach, denen er folgte. Den Informationen nach sollen sie mehrere Handys gestohlen haben. Jeder der vier Männer, denen er folgte, trug einen Rucksack, und auch deren Kleidung entsprach den Beschreibungen.

Im Team wäre es sicher einfacher gewesen, die Verdächtigten zu stellen. Der letzte Kollege hatte sich im Alter von Mitte 50 Jahren als Sicherheitsmitarbeiter verabschiedet, um sich mit einer Firma für Sicherheitstechnik selbstständig zu machen. Seit etwa einem dreiviertel Jahr erledigte Römer seinen Job alleine. Etwa ein Dutzend Kollegen hatte er in dieser Zeit kommen und nach nur ein paar Tagen wieder gehen sehen. Entweder waren diese Kollegen zu unerfahren oder der Job entweder zu stressig oder ihrer Ansicht nach zu schlecht bezahlt. Einmal hatte ein Kollege nach drei oder vier Tagen im Job gegenüber Römer geäußert, dass er mit demselben Arbeitgeber, bei dem auch Römer beschäftigt war, in Verhandlung stünde, 25 Euro brutto zu bekommen. Römer entgegnete mit ernster Miene »Pro Woche oder pro Monat?«, worauf der Kollege schwieg, aber bereits am nächsten Tag nicht mehr erschien.

Mit seinen 38 Jahren war Römer bei weitem noch nicht zu alt für diesen Job, und außerdem schlank und betrieb regelmäßig Sport, so konnte er die vier Verdächtigten ohne Mühe und mit Sichtkontakt in unmittelbarer Nähe des Kaufhauses der belebten Fußgängerzone stellen. Im Abstand von etwa 2 Metern stellte er sich vor die Männer, nahm seinen Dienstausweis aus der Jackentasche, den er den Männern zeigte.
»Römer mein Name, City-Streife, guten Tag.«, begrüßte er sie freundlich. Aber noch bevor er sagen konnte, warum er sie angehalten hatte, wurde er von einem der Männer mit einem unfreundlichen »Was willst du?!« unterbrochen. Der Verdacht der osteuropäischen Herkunft der Männer intensivierte sich aufgrund ihres Akzents, und Römer stellte sich darauf ein, dass die Männer nicht kooperativ sein dürften. Ihm war klar, dass die Männer aufgrund ihrer Herkunft durchaus negative Erfahrungen gemacht haben könnten.
»Sie alle sind beim Diebstahl mehrerer Handys gesehen worden.«, stellte er freundlich fest. »Ich darf Sie alle bitten, Ihre Rucksäcke zu öffnen, damit ich da rein sehen kann.«
Alle vier Männer verneinten leise und alle sahen einander an.
Römer ging davon aus, dass er nicht verstanden wurde. »Haben Sie in diesem Kaufhaus Handys gestohlen? Ja oder nein?«
Wieder verneinten alle untereinander ansehend.
»Dann haben Sie doch nichts zu befürchten. Öffnen Sie bitte ihre Rucksäcke.«
Das Spiel “Vier gegen einen“ oder auch “Acht Hände gegen zwei“ sollte sich als nicht leicht herausstellen. Einer der Männer zog seinen Rucksack ab, was ein anderer bemerkte und Römer mit der flachen Hand eine so heftige Ohrfeige verpasste, dass dieser fast das Gleichgewicht verloren hätte. Dies sollte wohl ein abgesprochenes Signal zum Aufbruch sein, denn nun rannten alle vier auf einmal los. Obwohl Römers Gesichtshälfte von der Ohrfeige brannte, gelang es ihm, einen der vier Männer zu Boden zu zwingen.
»Sie sind vorläufig festgenommen.«, sagte er zu dem Mann.
Einer der anderen drei Männer sagte irgendwas zum Festgenommenen in seiner Landessprache, was Römer aber nicht verstand. Während er nebenbei registrierte, dass einige Passanten stehenblieben, manche sich über den Vorfall unterhíelten, griff er nach seinem Handy in der Jackentasche und verständigte die Polizei. Der festgenommene Mann versuchte sich noch zu wehren, aber Römer hielt dessen Arm auf dessen Rücken gedreht fest, zusätzlich mit seinem Knie auf dessen Rücken und hielt sich seine eigene Wange. Einige Passanten blieben weiterhin stehen, manche lachten.

Etwa 10 Minuten später waren drei Streifenwagen mit je zwei Beamten eingetroffen.
»Wie viele waren es?«, fragte einer der Beamten.
»Vier insgesamt. Die anderen drei sind da lang gerannt.«, antwortete Römer und zeigte in die Richtung. Sofort fuhren vier Beamte in zwei Polizeiwagen mit Blaulicht und Martinshorn los. Eine Beamtin und ein Beamter blieben bei Römer und dem Festgenommenen.

Nur mit Mühe und Not konnten die Beamten Bruchstücke in schlechtem Deutsch von dem Festgenommenen erfahren, er hatte keine Personalien bei sich. Während er auf dem Rücksitz des Streifenwagens saß, erkundigte sich ein Beamter per Funk, ob die drei anderen Verdächtigten gefasst werden konnten, unter ihnen der Mann, der Römer geschlagen hatte. Die Beamtin erkundigte sich nach Römers Gesundheitszustand und befragte ihn dann nach dem Vorfall und schrieb mit.
Irgendwann kam ein Passant keuchend hinzu. Er hatte den Mann festgenommen, der Römer geschlagen hatte. Römer identifizierte den Täter.
»Und wer sind Sie?«, wollte der Beamte von dem Passanten wissen.
Der Mann gab dem Beamten seinen Personalausweis und sah kurz zu Römer hinüber. Der zweite Festgenommene trug Personalien bei sich. Im Verlauf des Interviews zwischen dem Passanten und dem Beamten hörte Römer, wie der Passant sagte: »Ehrensache. Wenn Gesundheit, Leben oder Freiheit anderer in Gefahr sind, darf jeder unter Einhaltung der Rechtsvorschriften vorläufig festnehmen. Das ist doch ein Jedermannsrecht.«, worauf der Beamte nickte. Mehr bekam Römer nicht mit, da er selbst noch befragt wurde.
Wie sich später herausstellte, stammten die vier Männer aus Osteuropa, bewohnten gemeinsam dasselbe Wohnheim, und gehörten zwar nicht zu einer kriminellen Bande, sind allerdings alle wegen Diebstahlsdelikten und Beleidigungen polizeibekannt.
Als alle Zeugen- und Täteraussagen protokolliert waren, die Lage sich beruhigt hatte, und die Polizeibeamten davon fuhren, ging der Passant, der den Schläger festgenommen hatte, auf Römer zu, reichte ihm die Hand und sagte »Hallo. Hasan Simsek mein Name.«
»Stefan Römer. Hallo.«, stellte auch er sich vor und reichte Simsek ebenfalls die Hand. Dass ein Passant ihm nach einem Einsatz die Hand reichte, war nicht gewöhnlich. In diesem Fall aber bedankte sich Römer bei Simsek und lud ihn zum Feierabend-Kaffee in zwei Stunden ein, worauf er zustimmte.
»Wenn du nichts dagegen hast…« sprach Simsek weiter »…, würde ich dich gerne bis zum Kaffee nachher während deiner Arbeit begleiten.«
Römer schien sichtlich amüsiert, er lachte. »Ich mache diesen Job seit knapp 10 Jahren. Bis vorhin habe ich keinen Bodyguard gebraucht.«
Simsek verstand die Ironie und entgegnete schmunzelnd: »Genau. Bis vorhin….«
Römer kommentierte das nicht, sondern sah sich nach möglicher „Beute“ um und sagte nur: »Ich sag` dir Bescheid, wenn du mir helfen kannst.«

Während sie durch die Fußgängerzone schlenderten und nach verdächtigten Personen Ausschau hielten, stellte Simsek immer wieder Fragen. Römer bemerkte irgendwann: »Quatschen können wir nachher beim Kaffee.«
»Okay.«, bestätigte Simsek.
Nach einer Weile blieb Römer stehen. Er bemerkte vor einem Kleidungsgeschäft eine nicht unattraktive Blondine, etwa Mitte 20 Jahre alt, die an einem Kleiderständer drehte und dabei immer wieder in das Geschäft schaute. Ihm war aufgefallen, dass sie gerade etwas in die Handtasche gesteckt hatte. Sie schien nervös. Römer wies Simsek auf die Frau und auf den Vorfall hin, dann gingen sie gemeinsam zu ihr rüber.
Auf dem Weg zu ihr holte Römer seinen Dienstausweis aus der Jackentasche und stellte sich neben der Frau auf die eine Seite, Simsek unaufgefordert auf die andere Seite.
»Römer. City-Detektiv. Guten Tag. Sie sind gerade dabei gesehen worden, wie sie ein Kleidungsstück in ihre Handtasche gesteckt haben.«
Die Frau reagierte mit einem »Dann schreib deine Anzeige, du Glücklicher, und verpiss dich, du Idiot!«
Eine Verkäuferin kam aus dem Geschäft dazu und fragte Römer und Simsek, was sie von der Frau wollten. Römer zeigte der Verkäuferin seinen Dienstausweis und erzählte ihr von der vermeintlichen Kundin. Dann gingen die beiden Frauen in Begleitung von Römer und Simsek ins Geschäft. Eine zweite Verkäuferin bemerkte »Ach, die kennen wir doch!<<« Der Diebin schien das peinlich und kommentierte: »Oh…! Guckt mal alle, wie stolz sie wieder ist. Jetzt hat sie ja ihr Erfolgserlebnis.« Die zweite Verkäuferin lächelte nur und sagte zu Römer und Simsek: »Wir kümmern uns drum. Vielen Dank.« Während sie sich vom Geschäft entfernten, fragte Simsek: Wi»eso hast du dir nicht ihren Ausweis zeigen lassen? Und wieso warten wir nicht, bis die Polizei da ist?« »In dem Geschäft sind Kameras, und die Frau ist bekannt, das weiß sie aber auch selber. Hast ja gesehen, wie sie reagiert hat.« Dann fragte Römer grinsend: »Von der hättest du dir bestimmt die Personalien geben lassen?«, worauf Simsek auf den Boden schaute und ebenfalls grinste.

Beim Feierabend-Kaffee lobte Römer Simseks Einsatz und bedankte sich nochmals für die tatkräftige Hilfe. »Woher kennst du dich mit den Jedermannsrechten aus?«
Simsek erzählte ihm, dass er nach der Berufsausbildung zum Lageristen ein paar Jahre lang ehrenamtlich in einem Flüchtlingswohnheim gearbeitet hatte. Das mache ihm aber keinen Spaß mehr, nun sei er im Alter von 25 Jahren auf der Suche nach einer richtigen Herausforderung. Der Umgang mit Menschen mache ihm Spaß. Im Gegenzug erkundigte er sich bei Römer, für wen er arbeitet, wie lange er den Job schon alleine macht. Römer erzählte ihm von den Ansichten mancher Ex-Kollegen und plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen, bis sie sich verabschiedeten.
Zwei Tage später wurde Römer kurz vor Dienstanritt via Anruf ins Büro eines Kaufhauses gebeten, man habe mit ihm etwas zu klären. Für Beschwerden oder sonstige Anliegen war in der Regel sein Arbeitgeber zuständig. Aber man kannte sich, also folgte er der Bitte aus dem Kaufhaus.
Zu seiner Überraschung saß auch Simsek im Büro. »Was kommt jetzt?«, fragte er verwundert.
»Sie sind des Diebstahls verdächtigt…«, der Geschäftsführer grinste.
Römer musste laut lachen, Simsek und der Geschäftsführer auch. Dann wählte Simsek auf seinem Handy via Kurzwahl eine Nummer und sagte: »Er ist hier.«
Dann stellte Simsek sein Handy auf laut. »Guten Morgen, Stefan.«, begrüßte ihn die Frau am anderen Ende, man konnte hören, dass sie sich ein Lachen verkneifen musste. »Du bist ab heute nicht mehr alleine. Hasan Simsek hat wie du den Lehrgang für die Sachkundeprüfung (Sachkunde nach § 34a der Gewerbeordnung) absolviert und ist ab jetzt dein neuer Kollege.«
»Ihr seid mir Spaßvögel…!«, murmelte Römer, worauf alle lachten und er und Simsek sich handschlagend begrüßten.

Was meinen Sie: welche Straftaten sind hier begangen worden und welche Rechtsgüter wurden angegriffen? Nutzen Sie gerne die Jedermannsrechten als Hilfestellung.

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Jedermannsrechte

„Jedermannsrechte sind Rechte, die, wie der Name schon sagt, Jedem zustehen, um sich und andere in Notsituationen zu schützen, insbesondere, wenn hoheitliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar ist. Sie unterteilen sich in Rechtfertigungsgründe und in Entschuldigungsgründe.“

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Die Notwehr steht sowohl im StGB (Strafgesetzbuch) als auch im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), wobei es bei der Notwehr im Sinne des StGB um Strafe oder Nicht-Strafe geht, im BGB um Schadensersatz. Der Notwehrparagraph lautet in beiden Gesetzesbüchern:

Als Notwehr wird juristisch die Verteidigung definiert, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder von einem anderen (Nothilfe) abzuwenden.

 

Hier geht es um Schadensersatz (BGB)

$ 229, Selbsthilfe: ich habe einen einklagbaren Anspruch z.B. jemanden vertraglich 10.000 Euro geliehen und erfahre, dass er ein Schiff nach Südamerika nehmen will. Jetzt darf ich ihn mit Gewalt daran hindern, wenn keine Obrigkeit (Rechtsanspruch über Gericht (nicht Polizei) verfügbar ist.
Ich kann die Einteibung der Schulden aber auch einem Inkassobüro übertragen.

$ 859, Selbsthilfe des Besitzers: Ich darf als Besitzer verbotene Eigenmacht (Besitzentzug/Besitzstörung) mit Besitzwehr/Besitzkehr abwehren und ich darf ihn nach unbefugtem Zutritt (Besitzstörung) vertreiben (Besitzwehr).
Jemand stiehlt mein Fahrrad (Besitzentzug), das darf ich mir zurückholen (Besitzkehr), wenn die Tat frisch ist (Augenkontakt). Dieses Recht kann übertragen werden (Beseitzdiener).

§ 228, Defensiver Notstand: Ein Hund (juristisch eine Sache nach § 90 BGB) fällt mich an und ich trete direkt auf ihn und töte den Hund. Ich brauche jetzt keinen Schadensersatz für den Hund zu leisten, da er für mich eine Gefahr war.

§ 904, Aggressiver Notstand: Ein Hund (§ 90 BGB) fällt mich an und ich reiße eine fremde Zaunlatte heraus (Aggression gegenüber Zaunbesitzer) und erschlage damit den Hund. Für den Hund kein Schadensersatz, sehr wohl aber für die Zaunlatte, deshalb hole ich mir das Geld vom Hundebesitzer zurück).

 

Hier geht es um Strafe (StGB)

§ 34, Rechtfertigender Notststand: Ich schlage eine fremde Autoscheibe ein, weil darin bei 40 Grad ein Kind sitzt. Ich packe die Rechtsgüter quasi auf eine Waage (Leben des Kindes gegen den Wert der Scheibe). Keine Strafe wegen Sachbeschädigung, wenn „geschütztes“ Rechtsgut deutlich höherwertig als „geopfertes“.

§ 35, Entschuldigender Notstand: Schiff geht unter, Mann neben mir hat einen Rettungsring. Ich nehme diesen Ring weg, der Mann ertrinkt. Keine Strafe wegen Totschlag, da es um sein oder um mein Leben ging.
Bei der Witwe kann man sich anschließend nur noch entschuldigen.

 

§ 227 BGB Notwehr (Nothilfe)

Notwehrlage:

– gegenwärtig: unmittelbar bevorstehend, hat bereits begonnen, dauert noch an

– rechtswidrig: Der Angreifer erfüllt einen Tatbestand und der Angreifer hat für sein Handeln keinen Rechtfertigungsgrund

– Angriff: Beeinträchtigung notwehrfähiger Rechtsgüter. Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Hausrecht, Ehre

Notwehrhandlung:

– erforderliche: Die Verteidigung muss notwendig und geeignet sein, den Angriff zu beenden (stehen mehrere geeignete Abwehrmittel zur Verfügung, ist das mildeste Mittel zu wählen).

– Verteidigung: muss sich gegen den Angreifer richten und muss der sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs dienen

Notwehr ist für die gesamte F.E.L.G.E. (gemeint sind die Rechtsgüter Freiheit, Ehre, Leben, Gesundheit, Eigentum) anwendbar. Der Angriff muss rechtswidrig und gegenwärtig sein.

Hier geht es um Zuführung eines Täters an die Gerichtsbarkeit (StPO).

 

§ 127 StPO, Vorläufige Festnahme (Zitat)

„(1) 1Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. 2Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.

(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.

(3) 1Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. 2Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.

(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.“

Quelle § 127 StPO: https://dejure.org/gesetze/StPO/127.html

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Begriffserklärung

Eigentum ist die rechtliche Beziehung / Herrschaft zu einer Sache.

Besitz ist die tatsächliche Beziehung / Herrschaft zu seiner Sache.

 

§ 903 BGB Befugnisse des Eigentümers

Der Eigentümer hat das Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auf Eigentum auszuschließen (Grundlage des Hausrechts), solange er dabei gegen kein Gesetz verstößt und dem Rechte Dritter nicht entgegenstehen.

 

Was sind Sachen?

Gemäß § 90 BGB sind Sachen im Sinne des Gesetzes nur körperliche Gegenstände (feste, flüssige und gasförmige Gegenstände).

Tiere sind gemäß § 90a BGB keine Sache, denn sie werden durch besondere Gesetze geschützt (Tierschutzgesetz), allerdings werden Tiere juristisch wie Sachen behandelt. Auf Tiere sind außerdem die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

 

§ 855 BGB Besitzdiener

Ein Besitzdiener ist derjenige, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, wobei er sich auf die Sache beziehenden Weisungen der anderen Folge zu leisten hat.

Wie wird man Besitzdiener?

Arbeitsvertrag (soziale Abhängigkeit, rechtlich umstritten z.B. bei „Nachbarschaftshilfe“), Übertragung von Rechten und Pflichten (Hausrecht), die laut Vertrag benannt sind (Dienstanweisung), Tätigwerden im Erwerbsgeschäft eines anderen (Kaufhausdetektiv), und der andere ist in Bezug auf die Sache weisungsberechtigt.

 

§ 858 BGB Verbotene Eigenmacht

(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt – sofern das Gesetz nicht die Entziehung oder die Störung bestattet – widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
(2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des besitzes seines Vorgängers bei dessen Erwerb kennt.

Verbotene Eigenmacht ist jede nicht ausdrücklich vom Besitzer gestattete Einwirkung auf die Sache, es sei denn, das Gesetz gestattet oder verlangt sie.

Beispiele:

– Die Polizei nimmt einem Drogendealer zwei Kilogramm Heroin ab.
– Die Polizei nimmt einer Person die Zigaretten ab, die sie gerade bei einem Zigarettenschmuggler gekauft hat.
– Dem Schuldner werden vom Gerichtsvollzieher mit Vollstreckungsbeschluss Sachen gepfändet.

Keiner der oben genannten kann sagen, es läge eine verbotene Eigenmacht vor. Deshalb dürfen sie sich auch nicht gegen Maßnahmen wehren.

 

Besitzentziehung ist also die rechtswidrige und vollständige Beseitigung der tatsächlichen Herrschaft des Besitzers über eine Sache.

Besitzstörung ist die rechtswidrige Beeinträchtigung des ungestörten Besitzzustandes. Typisches Beispiel ist der Diebstahl oder das Parken auf der Grundstückseinfahrt. Der Besitzer muss nicht ausdrücklich widersprechen (dazu müsste es im Gesetz heißen „Wer dem Besitzer gegen dessen Willen…“). Das Gesetz verlangt nur, dass die Beeinträchtigung ohne den irgendwie zum Ausdruck gebrachten Willen des Besitzers erfolgt.

Verbotene Eigenmacht liegt vor, wenn die Besitzentziehung bzw. Besitzstörung widerrechtlich erfolgt.Der Beeinträchtigende braucht nicht einmal das Bewusstsein der Widerrechtlichkeit zu haben, auch sein Verschulden ist nicht erforderlich.
—> Widerrechtlichkeit liegt auch dann vor, wenn der Beeinträchtigende einen Rechtsanspruch auf die Einräumung des Besitzes hat.
—> Zur Durchsetzung seiner Ansprüche muss er Gerichte oder sonstige staatliche Stellen in Anspruch nehmen.
—> Eine Durchsetzung seiner Ansprüche auf eigene Faust wäre verbotene Eigenmacht.

 

§ 859 Selbsthilfe des Besitzers

Verbotene Eigenmacht § 858 Absatz 1, BGB:

Wenn jemand dem Besitzer ohne dessen Willen (verboten und eigenmächtig) den Besitz entzieht oder ihn (verboten oder eigenmächtig) im Besitz stört.

Gegen Verbotene Eigenmacht kann der Besitzer/Eigentümer/Besitzdiener mit Besitzwehr/Besitzkehr vorgehen.

§ 859 BGB:
—> Verbotene Eigenmacht liegt vor: Der Besitzer wird in der freien Verfügung über eine Sache gestört (Besitzstörung) —> Abwehr mit Gewalt.
—> Bewegliche Sache wird mittels verbotener Eigenmacht weggenommen (Besitzentzug) —>Der Besitzer darf dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter die Sache mit Gewalt wieder wegnehmen (Besitzkehr).

§ 860 sagt aus, dass der Besitzdiener (vertraglich) sich genauso gegen verbotene Eigenmacht erwehren kann und darf wie der Besitzer (§ 859 BGB).

 

Was sind unerlaubte Handlungen?

—> Unerlaubte Handlungen sind widerrechtliche Eingriffe in die Rechtsgüter (Freiheit, Ehre, Leben, Gesundheit, Eigentum) einer Person, die dadurch einen Schadensersatzanspruch hat.

 

§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder sonstiges Recht (Ehre) eines anderen widerrechtlich verletzt oder gegen ein Recht verstößt, welches den Schutz eines anderen bezweckt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Geschützte Rechtsgüter
—>Um schadensersatzpflichtig zu werden, muss zwischen der Handlung des Täters und dem Schaden ein Zusammenhang (eine Kausalität) bestehen (haftungsbegründete Kausalität).

Die Handlung muss schuldhaft begangen worden sein. Unerheblich für die Beurteilung ist es, ob die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde.

Ein Autofahrer ist durch verspätetes Bremsen auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren und hat dadurch einen erheblichen Sachschaden verursacht.

—>1. Verletzung des Rechtsguts Eigentum.
—>2. Durch den verursachten Schaden entsteht für den Verursacher kein Anspruch auf Schadensersatz.
—>3. Es liegt kein Rechtfertigungsgrund für die Herbeiführung des Schadens vor.

Fazit: Schadensersatzpflicht nach §§ 823 BGB & § 249 bGB Art und Umfang des Schadensersatzes.

 

§ 827 BGB Ausschluss und Minderung der Verantwortlichkeit

Unzurechnungsfähige sind nicht schadensersatzpflichtig. Dazu gehören auch Menschen, die durch Rauschmittel nicht mehr ihrer Sinne mächtig sind (nach Alkoholkonsum z.B. ab 3 Promille). Die bewusste Herbeiführung ist allerdings strafbar.

 

§ 828 BGB Schadensersatz bei Minderjährigen

Wer das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Gegebenenfalls haftet der Aufsichtspflichtige gemäß § 832. Hat ein Kind, das das siebte Lebensjagr vollendet hat, einen „riesigen“ Schaden (…) verursacht, kann es als erwachsene Person, also ab dem vollendeten achtzehnten Lebensjahr dann noch zur Rechenschaft gezogen werden, sofern der Schaden bis dahin nicht beglichen/beseitigt worden ist.

 

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende zustand nicht eigetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

 

§ 833 BGB Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier…

—>…, ein Mensch getötet,
—>…, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt,
—>…, eine Sache beschädigt,

…, so ist der Tierhalter (Eigentümer/Besitzer, auch „Gassigeher“) verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Achtung: die Haltung des Tierhalters greift…

…, bei Luxustieren: immer

…, bei Nutztieren: nur bei Fahrlässigkeit

 

§ 226 BGB Schikaneverbot

Die Ausübung eines Rechtes ist dann unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

Wird es geahndet, wenn eine Person einer anderen Person durch das Ausnutzen eines Rechts einen Schaden zufügt?

Ja, das ist Schikane und fällt unter das Schikaneverbot nach § 226 BGB.

 

§ 227 Notwehr / Nothilfe

(1) Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder von anderen (Nothilfe) abzuwenden.

 

Was ist Notwehr?

Notwehr ist ein Rechtfertigungsgrund, das heißt, wer eine Tat (Unerlaubte Handlung: Sachbeschädigung) begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht widerrechtlich, kann also selbst nicht zu Schadensersatz herangezogen werden.

Wo ist die Notwehr geregelt?

—>§ 227 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

—>§ 32 Strafgesetzbuch (StGB)

—>§ 15 Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG)

 

Ein Tier ist juristisch keine Sache, allerdings werden Tiere juristisch wie Sachen behandelt. Deshalb kann man von einem Tier nicht angegriffen werden, sondern es heißt juristisch „Das Tier fällt einen an“.

Wird man beispielsweise von einem Hund angefallen und erwehrt sich mit eigenen Mitteln, also mit denenen, die am Körper angewachsen sind (Hände, Füße…), dann spricht man vom Defensivnotstand (auch verteidigender Notstand, § 228 BGB).

Wird man von einem Hund angefallen und reißt, um sich zu wehren, einer dritten (unparteischen) Person eine Latte vom Zaun oder nimmt einen x-beliebigen Gegenstand weg, um damit den Hund in die Flucht zu schlagen, so spricht man vom Angriffsnotstand (angreifender Notstand, § 904 BGB).
Wird der Gegenstand der dritten Person dabei beschädigt, so ist dieser Person für den defekten Gegenstand Schadensersatz zu leisten, welchen man allerdings vom Tierbesitzer (auch „Gassigeher“) gerichtlich einklagen kann.

Rechtsfolge:

Beim Angriffnotstand ist das Beschädigen oder Zerstören der Sache, von der die Gefahr drohte, ist – obwohl sie den Tatbestand einer Sachbeschädigung darstellt – keine widerrechtliche Handlung, wenn man sich auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen kann.

 

—> Eine Gefahr ist gegenwärtig, erfordert also sofortige Abhilfe, und zwar gerade durch die Einwirkung, weil andere taugliche Mittel nicht vorhanden sind.

—> Zur Abwendung dieser Gefahr wird auf eine Sache eingewirkt, von der die Gefahr ausgeht. Die Einwirkung erfolgt mit dem Willen, die Gefahr zu beseitigen (Verteidigungswille).

—> Die Einwirkung auf die (unbeteiligte) Sache, z.B. deren Beschädigung, ist notwendig. Andere geeignete Hilfsmittel stehen nicht zur Verfügung (Erforderlichkeit).

—>Die Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, der Schaden, der an der unbeteiligten Sache angerichtet würde, darf nicht höher sein als der drohende Schaden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Eigentümer die Einwirkung dulden.

—> Die Einwirkung ist rechtmäßig (Rechtfertigungsgrund). Der Eigentümer der unbeteiligten Sache, auf die eingewirkt worden ist, kann jedoch Schadensersatz verlangen.

 

Unterschied zwischen Verteidigungs- und Angriffsnotstand

Der Unterschied zwischen § 228 BGB (verteidigender bzw. defensiver Notstand) und § 904 (angreifender bzw. aggressiver Notstand) liegt bei der Sache auf die eingewirkt wird (nicht der Hund, sondern die Zaunlatte, s.o.).

Bei § 228 BGB wird auf die Sache eingewirkt, von der die Sache ausgeht.
—> Keine Pflicht des Handelnden, Schadensersatz zu leisten.
—> Hat der Handelnde jedoch die Gefahr selber verursacht, darf er zwar auf die Sache einwirken (beschädigen oder zerstören), muss aber den angerichteten Schaden ersetzen.

Bei § 904 BGB wird auf eine Sache eingewirkt, von der keine Gefahr ausgeht, diese Einwirkung ist aber notwendig, um eine andere Gefahr abzuwenden.
—> Der Eigentümer der bislang unbeteiligen Sache darf Sie nicht an der Einwirkung hindern, hat dafür aber einen Anspruch gegen Sie auf Schadensersatz.

 

Was ist eine Gefahr?

Ein ungewöhnlicher, regelwidriger Zustand, der nach verständiger Würdigung des Einzelfalles den Eintritt eines Schadens wahrscheinlich macht.

§ 229 BGB Erlaubte, allgemeine Selbsthilfe

1. Einklagbarer Anspruch
—> Schadensersatz
—>Herausgabeanspruch
—>Unterlassungsanspruch

Obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen
—>wenn Gericht nicht erreichbar

Verwirklichung des Anspruchs ist gefährdet,
—>…, wenn nicht sofort Maßnahmen zu einer vorläufigen Sicherstellung ergriffen werden.

Ohne sofortiges Eingreifen besteht die Gefahr, dass der Anspruch verloren geht oder erheblich erschwert wird.

Zulässige Maßnahmen gegen Personen
—>Festnahme (z.B. des Verursachers zur Feststellung der Personalien)
—>Anspruchsgegner ist unbekannt oder
—>der Gegner will sich ins Ausland absetzen
—>Brechen von Widerstand (zur Duchsetzung der hier aufgeführten Handlungen).

Beachte: Auch hier gilt der Grundatz der Verhältnismäßigkeit (mildeste Mittel)!

 

§ 230 BGB Grenzen der Selbsthilfe

Die Selbsthilfe darf nicht weiter gehen als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist (…).

Wie bei allen Maßnahmen ist auch hier der Grundatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten! Das Ziel Ihrer Maßnahme (gegen Sachen oder Personen – § 229 BGB) besteht ausschließlich in der Sicherung und Durchsetzung Ihres privaten Anspruchs.

Der Gesetzestext sagt eindeutig aus, dass Ihre Maßnahmen nicht weiter gehen dürfen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Was immer auch für eine zugelassene Maßnahme man ergreift, man darf sie nicht zu Ende bringen.

 

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